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Der Russland-Ukraine-KonfliktDer Russland-Ukraine-Konflikt

Kapitel 12

Wehrdienstverweigerung in Russland – und dann?

von Luisa Nembach

Unzumutbar!

Tweet von Bundesjustizminister Marco Buschmann from 21.9.2022:

Russische Kriegsdienstverweigerinnen und -verweigerer können in anderen Ländern Asyl beantragen, obwohl – oder gerade weil – Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt. Es ist niemanden zumutbar, in einem solchen Krieg mitkämpfen zu müssen.

Wer ist ein Flüchtling?

Die Genfer Flüchtlingskonvention hat eine Antwort.

Nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist jede Person ein Flüchtling, „[d]ie […] aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will.

Werden russische Wehrdienstverweigerinnen und -verweigerer aufgrund ihrer politischen Überzeugung verfolgt?

https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-ukraine-krieg-deserteure-asyl-1.5556008?reduced=true
Illustration: Marlin Beringer

Rechtlich wird eine solche „Verfolgung“ bei einer drohenden unverhältnismäßig langen Gefängnisstraße, wie bei der Aussicht auf zehn Jahre Gefängnis bei Wehrdienstverweigerung, bejaht.

 Außerdem wird eine Verfolgung angenommen, wenn ein Krieg „[…] von der Völkergemeinschaft als den Grundregeln menschlichen Verhaltens widersprechend verurteilt wird."

Kriegsdienstverweigerer in Russland werden von den russischen Behörden oft als Oppositionelle eingestuft. Dies bestätigt einen Zusammenhang mit ihrer politischen Überzeugung und ermöglicht es den deutschen Behörden in der Regel, von einer politischen Verfolgung auszugehen.

Was tun bei einem Ausreiseverbot?

Illustration: Marlin Beringer

Die meisten Russen können Russland aktuell schwer verlassen und damit fliehen. Es ist Russen im wehrfähigen Alter nur noch in Ausnahmefällen erlaubt, aus Russland auszureisen. 

Für jene, die es trotzdem über die Grenze schaffen, verkompliziert sich die Situation aufgrund des Rückgangs der Bewilligungen von Touristenvisa an Russinnen und Russen durch die Nachbarländer. Eine Anerkennung als Flüchtling ist nur außerhalb Russlands möglich; Kriegsdienstverweigerinnen und -verweigerer müssen also zunächst ihr Land verlassen können.

Kein einfacher Weg...

Illustration: Marlin Beringer

Nationale Behörden stellen häufig hohe Anforderungen an die Asylsuchenden wie Bescheinigungen, dass sie in Russland zu Handlungen aufgefordert wurden, die gegen Grundregeln menschlichen Verhaltens verstoßen oder offizielle Schreiben von russischen Behörden zur Wehrdienstverweigerung. Solche Papiere kann in der Regel aber niemand vorlegen. 


92 von 3500!

Schlagzeile auf tagesschau.de vom 21.11.2023:
https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/russland-kriegsdienstverweigerer-asyl-100.html
Unklar ist, ob sich diese Praxis inzwischen geändert hat. 

Seit Kriegsbeginn haben 3500 russische Männer im wehrfähigen Alter in Deutschland Asyl beantragt. Bisher wurde nur mehr als die Hälfte der Anträge entschieden. Schutz wurde nur 92 Männern bewilligt.