Der Russland-Ukraine-KonfliktDer Russland-Ukraine-Konflikt
Das Massaker in Butscha – Ein Kriegsverbrechen?
Was ist passiert?
Seit Beginn des Krieges sorgen immer wieder Berichte möglicher Kriegsverbrechen für Entsetzen. So wurden mutmaßlich 458 Zivilisten in Butscha, einem Vorort Kiews, getötet. Berichte der UN und von NGOs wie Human Rights Watch oder Amnesty International dokumentieren diese grausamen Taten.
Die Berichte beziehen sich auf die große Anzahl der mutmaßlich vorsätzlich getöteten Zivilisten sowie der gefolterten Zivilisten. Berichtet wird auch von vermutlich begangenen Plünderungen und vereinzelten Vergewaltigungen sowie Hinrichtungen.
Schutz durch die Genfer Konventionen
Butscha stand zur Zeit der mutmaßlichen Straftaten unter Kontrolle und damit Besatzung der russischen Streitkräfte. Die ukrainische Zivilbevölkerung dieses besetzten Gebiets ist durch die vierte Genfer Konventionen geschützt.
Schwere Verletzungen ihrer Rechte, wie beispielsweise der gezielte Beschuss von zivilen Objekten oder die Gewaltanwendung gegen Zivilisten, stellen ein Kriegsverbrechen dar.
Was ist ein Kriegsverbrechen?
Kriegsverbrechen sind vorsätzliche schwere Verstöße durch Individuen gegen die Genfer Konventionen. Diese Kriegsverbrechen nach den Genfer Konventionen lassen sich in folgende Gruppen zusammenfassen: Kriegsverbrechen gegen Personen, Eigentum und sonstige Rechte, Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen sowie Einsatz verbotener Methoden und Mittel der Kriegsführung.
Einige dieser Kriegsverbrechen nach den Genfer Konventionen stehen zudem auch nach dem Römischen Status des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag unter Strafe und können vom Gerichtshofe verfolgt werden. Der Gerichtshof kann zum Beispiel einzelne Befehlshaber wegen Kriegsverbrechen anklagen und verurteilen.
Die Rolle des International Strafgerichts
Eine wichtige Rolle bei der Verfolgung von internationalen Straftaten spielen der Internationale Strafgerichtshof und das Römische Statut. Staaten haben den Gerichtshof dazu ermächtigt, ausgewählte Verbrechen wie Kriegsverbrechen oder Völkermord zu verfolgen.
Vorgeschaltet sollen zunächst nationale Strafverfolgungsbehörden Verfahren selbstständig durchführen. Wenn diese unwillens oder nicht in der Lage sind, kann sich der Internationale Strafgerichtshof einschalten.
Die Ukraine, welche wie Russland nie dem Römischen Statut zugestimmt und als Vertragspartei beigetreten ist, hat die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs bereits nach der ersten russischen Invasion und der Annexion der Krim 2014 anerkannt. Zusätzlich haben 39 Vertragsstaaten des Statuts, darunter auch Deutschland, um internationale Ermittlungen nach dem Römischen Statut gebeten.
Dies ermöglicht es der Anklagebehörde des Internationalen Gerichtshofs, Ermittlungen gegen Einzelpersonen aufzunehmen. Seit dem 2. März 2022 untersucht sie nun die Situation.
Können die mutmaßlichen Täter angeklagt werden?
Die Ermittlungen bezüglich der mutmaßlich begangenen Kriegsverbrechen dauern derzeit noch an. Im vergangenen Jahr wurden in der Stadt Butscha vor allem Beweise gesammelt und Exhumierungen durchgeführt. Um diese Straftaten ordnungsgemäß zu verfolgen, müssen die mutmaßlichen Täter und Täterinnen identifiziert werden. Dies stellt sich jedoch aufgrund der Komplexität und Unüberschaubarkeit als schwierig dar: Es ist nicht immer klar, wer zu welchem Zeitpunkt wo was gemacht hat.
Es ist beispielsweise nicht immer bekannt, welcher Zugführerin oder welcher Zugführer wem welchen Befehl gegeben hat, oder ob Soldaten oder Soldatinnen auch aus eigenem Willen gehandelt haben.
Ein Team der New York Times hat verschiedene Beweismittel ausgewertet und hat wohl die Verantwortlichen, ein russisches Regiment, inzwischen identifiziert. Für eine (völker-)strafrechtliche Verfolgung wird nun durch internationale und ukrainische Behörden ermittelt, welcher Soldat oder welche Soldatin unter welchem Befehl wen getötet hat. Erst dann kann entscheiden werden, ob Anklage gegen eine bestimmte Person für bestimmte Verbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof erhoben werden kann.